Reden Sie nicht über Kultur. Machen Sie Kultur.

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Reden Sie nicht über Kultur – machen Sie Kultur.

Durch die Art und Weise, wie wir etwas tun, prägen wir Kultur. Wir kultun. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. 

Eine meiner Kundinnen – ein grösseres Unternehmen in der Dienstleistungsbranche – hat eine Initiative ins Leben gerufen, um die Innovationskraft zu stärken und die «Time to Market» zu verbessern, also Reaktions- und Entwicklungszyklen zu beschleunigen. Als treibende Kraft wurden Offenheit, Veränderungsbereitschaft und Autonomie identifiziert. Diese Verhaltensweise sollten gezielt im Unternehmen etabliert werden. 

Diese Aufgabe wurde – wie so oft – dem HR übertragen; werden Kulturthemen doch oft an die Personalabteilung «delegiert». Diese reagierte nach klassischem Ansatz mit Führungsschulungen und Teamentwicklungen, in denen neue Zielbilder entwickelt und über Verhaltensweisen reflektiert wurde.

Gleichzeitig wurde die Unternehmung neu organisiert. Die Neustrukturierung war die konsequente Ausrichtung auf die Strategie und entsprechend nachvollziehbar für alle Beteiligten. Die Auswahl der neuen Führungscrew lief folgendermassen ab: ausgewählte Personen wurden gebeten, sich zu bewerben und aus diesem exklusiven Kreis wurden die Führungspersonen ernannt. Niemand kannte die Auswahlkriterien und wer nicht um ihre oder seine Bewerbung gefragt wurde, hatte Pech. Man kenne die Leute und könne sie gut beurteilen, hiess es auf kritische Nachfrage, weshalb der Prozess so exklusiv und intransparent erfolge. Dass es sich um ein Unternehmen mit mehreren tausend Mitarbeitenden handelt, sei hier bloss am Rande bemerkt.

Dieses Vorgehen ist nicht selten. Und muss auch nicht falsch sein. Unterschätzt wird dabei bloss die Wirkung, die ein solches Vorgehen auf die Kultur in einer Unternehmung hat. Ein Unternehmen, dass sich um Offenheit, Veränderungsbereitschaft und Autonomie stark macht und dann in der Realität so hierarchisch und intransparent vorgeht, straft seine Absichten mit Lügen. Kulturveränderung wird zum Lippenbekenntnis.  

Oftmals unterschätzen Führungspersonen ihren Einfluss auf die Kultur oder sind sich nicht bewusst, dass sie mit dem Entscheid für Instrumente und Methoden die Kultur entscheidend prägen. Deshalb sollten sich Führungspersonen diese Kulturwirkung explizit machen. Die Wahl des Vorgehens und der Instrumente prägen die Verhaltensweisen viel stärker als gut gemeinte Worte in Kulturworkshops. Das Unternehmen hätte in der Absicht, Offenheit, Veränderungsbereitschaft und Autonomie zu stärken, besser einen transparenten, integrativen Prozess gewählt. Ich erinnere mich an eine Kundin, bei der die Mitarbeitenden ihre Aufgabengebiete selber ausarbeiteten. Die Zusammenstellung der Teams erfolgte im Team definiert, sodass nicht Partikularinteressen dominierten, sondern die Vorteile für die gesamte Unternehmung im Zentrum standen.

Zurück zur Unternehmung, die Offenheit, Veränderungsbereitschaft und Autonomie fördern will. Glücklicherweise wächst das Bewusstsein, dass die Art und Weise wie wir etwas tun, die Kultur prägt. Deshalb setzt man nun vermehrt auf Netzwerk statt Hierarchie und gibt immer mehr Lösungskompetenz in die Community. Welche übrigens mit überraschend radikalen Vorschlägen aufwartet. Aber dazu ein anderes Mal.